Der Tunnel

Kaum hatte die Kaserne Holzminden ihre Tore geöffnet, als auch schon eine kleine Gruppe von Kriegsgefangenen damit begann, Fluchtpläne zu schmieden. So mancher Versuch, über den Draht oder durch die Tore als deutsches Militärpersonal oder Zivilist verkleidet, zu entkommen, war schon von Offizieren gemacht worden. Einigen war es sogar gelungen, in die ländliche Umgebung zu flüchten, um dann doch nur wieder eingefangen und zurückgebracht zu werden. Nach jedem gelungenen Fluchtversuch wurden die Sicherheitsmaβnahmen erhöht…

Im November 1917 begann ein Trio von Serien-Ausbrechern - die Königlichen Flieger-Korps Piloten Captain David Gray, Leutnant Caspar Kennard und Leutnant Cecil Blain - einen waghalsigen Ausbruch zu schmieden, der aller Wahrscheinlichkeit nach keine Aussicht auf Erfolg haben würde. Nachdem das Trio den nächstgelegenen Punkt zu den Sicherheitsmauern und dem Stacheldraht geortet hatte, wurde damit begonnen, einen Tunnel unter den Treppen der Ordonanz-Quartiere zu graben.

Die Männer arbeiteten sich durch Felsgestein und bewegten die Erde mit wenig mehr als Küchen-Besteck. Mit der zunehmenden Länge des Tunnels wurde auch der geheime Flucht-Ausschuβ gröβer. In einem Zimmer im Dachgeschoβ war eine regelrechte Fluchtfabrik eingerichtet worden. Was immer auch beschafft werden konnte, wurde dort in Hilfswerkzeuge aller Art umgewandelt. Immer darauf bedacht, beim Appell zu erscheinen und bei den Häschern keinen Verdacht zu erregen, gruben die Männer in Schichten.

Neun lange Monate später, in den frühen Morgenstunden eines Juli-Tages, entkamen 29 Kriegsgefangene durch den Tunnel und verschwanden in einem Roggen-Feld auβerhalb der Mauer und des Stacheldrahtes und verschmolzen in die deutsche Landschaft …